Arbeitsschutzkontrollen in Schlachthöfen zeigen gravierende Mängel / Land plant den Aufbau einer landesweiten Beratungsinfrastruktur gegen Arbeitsausbeutung
Arbeitsminister Karl-Josef Laumann hat die Ergebnisse der aktuellen „Arbeitsschutzaktion Fleischwirtschaft“ vorgestellt und die Konsequenzen der Landesregierung dargelegt. Die Aktion, bei der der Arbeitsschutz 30 Schlachthöfe mit rund 17.000 Beschäftigten kontrolliert hat, bestätigte einen langfristigen Trend: Der Preiskampf in der Fleischindustrie führt oft zu überaus schwierigen – wenn nicht sogar prekären – Arbeitssituationen für die Beschäftigten. Betroffen sind in großer Zahl ausländische Arbeitskräfte, die im Rahmen von Werkverträgen beschäftigt werden.
Laumann
kündigte deshalb den Aufbau einer neuen Beratungsinfrastruktur an, die
die Beschäftigten über ihre Rechte und Pflichten informieren und bei der
Durchsetzung ihrer Ansprüche unterstützen wird.
„Besonders oft betroffen sind ausländische Werkvertragsarbeitnehmer, die
sich schon aufgrund von Sprachbarrieren schwertun, ihre Rechte
durchzusetzen“, erläutert Arbeitsminister Laumann. „Deshalb setzen wir
ein klares Signal: In Nordrhein-Westfalen ist kein Platz für
Arbeitsausbeutung.“
In 26 der 30 kontrollierten Betriebe wurden teils gravierende Verstöße
gegen Arbeitsschutzvorschriften festgestellt. Die Mängelliste umfasst
die ganze Bandbreite des Arbeitsschutzrechts: Von verstellten Verkehrs-
und Rettungswegen, Lagerungs- und Unterweisungsmängeln bei
Gefahrstoffen, fehlenden Prüfungen und mangelhaften Schutzeinrichtungen
an Maschinen, über fehlende arbeitsmedizinische Untersuchungen bis hin
zu grundlegenden Mängeln bei der Arbeitsschutzorganisation (fehlende
Gefährdungsbeurteilung, Unterweisung, Sicherheitsfachkraft,
Arbeitsmediziner).
In zahlreichen Fällen wurden zudem teils gravierende Verstöße gegen das
Arbeitszeitrecht festgestellt. Arbeitsschichten von über 12 Stunden
waren keine Seltenheit. Zwei der vier Betriebe ohne strukturelle Mängel
sind bereits seit längerer Zeit unter arbeitsschutzbehördlicher
Kontrolle. Lediglich zwei Unternehmen – die übrigens Stammbelegschaften
haben – stellten die Arbeitsschützer ein vergleichsweise gutes Zeugnis
aus.
Die Ermittlungen sind umfangreich und dauern noch an. Bis dato wurden
ca. 40 Prozent der Betriebsprüfungen mit folgendem Sachstand
ausgewertet:
- Es gab mehr als 3.000 Arbeitszeitverstöße (dabei wurden unter anderem gravierende Verstöße gegen die werktägliche Arbeitszeit ermittelt, etwa, dass Beschäftigte über 16 Stunden an einem Arbeitstag gearbeitet haben).
- In mehr als 900 Fällen wurden keine arbeitsmedizinische Vorsorgeuntersuchungen durchgeführt.
- Mehr als 100 technische Arbeitsschutzmängel mit hohem Gefährdungspotenzial wurden festgestellt (entfernte Schutzeinrichtungen, gefährlicher Umgang mit Gefahrstoffen, abgeschlossene Notausgänge, gefährlich abgenutzte Arbeitswerkzeuge).
Das Arbeitszeitgesetz beschränkt die Bußgeldhöhe pro Tatbestand
(Nichteinhaltung der täglichen Arbeitszeit, Nichteinhaltung der
Pausenzeiten oder die Nichteinhaltung der Ruhezeiten) bei Vorsatz auf
15.000 Euro, bei Fahrlässigkeit auf höchstens 7.500 Euro. Da ein Vorsatz
nur in Ausnahmefällen nachweisbar sein wird, dürften Maximalbußgelder
im Nachgang zu dieser Arbeitsschutzaktion voraussichtlich nur selten
verhängt werden. Sofern bei erneuten Kontrollen Wiederholungstaten
festgestellt werden, kann von einem Vorsatz ausgegangen und der
Höchstsatz des Bußgeldes von 15.000 Euro festgesetzt werden.
Arbeitsausbeutung ist aber leider nicht nur ein Thema in der
Fleischindustrie. Das Arbeitsministerium plant deshalb den Aufbau eines
landesweiten Beratungsnetzwerkes gegen Arbeitsausbeutung, das aus
bestehenden Beratungsprojekten und den mit Mitteln des Land und des
Europäischen Sozialfonds geförderten Erwerbslosenberatungsstellen
bestehen soll.
Schon seit 2013 fördert die Landesregierung das Projekt
„Arbeitnehmerfreizügigkeit fair gestalten“. Gemeinsam mit zwei weiteren
vom Bund geförderten Projekten bieten derzeit 10 Beraterinnen und
Berater in Nordrhein-Westfalen Unterstützung und in der Regel
muttersprachliche Beratung an. Das ist ein wichtiges, aber aus der Sicht
des Arbeitsministers noch nicht ausreichendes Angebot.
Die 73 Erwerbslosenberatungsstellen in Nordrhein-Westfalen werden in den
nächsten Wochen und Monaten durch Schulungen dabei unterstützt, ihr
Beratungsspektrum auszuweiten. Mit Hilfe der landeseigenen „G.I.B. –
Gesellschaft für innovative Beschäftigungsförderung mbH“ und der
Regionalagenturen werden konkrete Absprachen für die zukünftige
Zusammenarbeit und Kooperation getroffen. Der Aufbau des Netzwerks soll
Anfang 2020 starten. Ab 2021 wird diese Beratung dann fester Bestandteil
der Arbeit der Beratungsstellen sein.
Zudem will Laumann der Arbeitsausbeutung durch mehr und intensivere
Kontrollen sowie Broschüren und Webangebote, die die Betroffenen in der
eigenen Sprache über ihre Rechte aufklären, einen Riegel vorschieben.
„Wir können und wollen nicht zusehen, wie ausländische Beschäftigte in
unserem Land ausgebeutet werden und wie illegale Strukturen einen
gerechten Wettbewerb unterwandern“, so Minister Laumann. Deshalb werde
man gemeinsam mit anderen zuständigen Stellen den Kontrolldruck auf die
Branche schrittweise erhöhen. „Wir werden aber natürlich auch auf die
Fleischwirtschaft zugehen. Denn zur Wahrheit gehört auch, dass
branchenweite Verbesserungen schneller im gemeinsamen Dialog erreicht
werden.“
Mehr Informationen finden Sie unter:
Webangebot des Arbeitsschutzes Nordrhein-Westfalen für Beschäftigte in der Fleischindustrie (inkl. Broschüre):
https://www.mags.nrw/beschwerde
Landesprojekt „Arbeitnehmerfreizügigkeit fair gestalten“:
https://www.aulnrw.de/fr/projekte/projekte/arbeitnehmerfreizuegigkeit-fair-gestalten/
Erwerbslosenberatungsstellen:
https://www.mags.nrw/erwerbslosenberatungsstellen